22.06.2012 -
Personal- und Organisationsentwicklung — worum geht´s?
Am Ende eines Gesprächs zum Thema Führung in der Matrixorganisation sprachen mich meine Gesprächspartnerin, die für die Entwicklung der Top-Manager eines Konzerns verantwortlich sind, auf meine frühere Rolle als Leiter Personalentwicklung an: Was ich daraus für mich mitgenommen hätte.
Ich gebe zu, eine allzu kluge Antwort hatte ich nicht sofort parat. Ich sprach von verschiedenen Teilaspekten, die alle irgendwie zutreffen, mir aber selbst nicht das Gefühl vermittelten, dass es das schon ist. Ich bin schon lange raus aus der Rolle und es wollte mir nicht gelingen, den richtigen Faden gleich wieder aufzugreifen.
Anlass genug, auf der anschließenden Bahnfahrt weiter nachzudenken, tiefer zu schürfen und mich zu erinnern, auch an damalige Glaubenssätze, die unbewusst in mir weiterwirken, weil sie sich als erfolgreich erwiesen — damals wie heute. Stets bewusst ist mir dabei auch meine Definition von Personalentwicklung.
Hier nun meine Gedanken zur Personal- und Organisationsentwicklung:
- es geht um Entwicklung für Mensch und Organisation, nicht um Training
- Entwicklung ist stets auch Innovation, an Grenzen und darüber hinweg gehen, Neues wagen, andere und sich selbst ermutigen, nach vorn zu denken
- dazu gehören der Mut, infrage zustellen, Unmut auszuhalten und ein gewisses Risiko des Scheiterns
- Wille und Energie, guten Kontakt auf Augenhöhe (ohne "Schmusekurs") zu allen wichtigen Stakeholdern zu pflegen, sich deren Akzeptanz zu sichern — sonst sind die vorgenannten Punkte gar nicht möglich
- konsequent die Strategie und deren Umsetzung in Verhalten, Lerndesigns, Kommunikation und Prozessen unterstützen, keine unnützen Spielwiesen, die stets knappen Ressourcen der PE auf das wirklich Wichtige fokussieren
- das Business voranbringen, in gutem Kontakt mit dem Management bleiben, sich selbst (und die Personal-/Organisationsentwicklung als Disziplin) relativieren
- ausgeprägter Pragmatismus auf Basis fundierter und gut vermittelbarer Konzepte (vornehmlich unternehmensindividuellen) — was geht wirklich, was stiftet Nutzen, mindestens mittel- bis längerfristig?
- Respekt für die Herausforderungen des Geschäfts und des Managements sowie die Erfahrungen der Manager, die nicht nur Partner, sondern v.a. Auftraggeber sind, die es zu unterstützen gilt (Personalentwicklung als Selbstzweck oder betriebliche Volkshochschule ist Wertvernichtung — gibt´s das noch? Ja, leider!)
- Räume schaffen für Dialog zu Herausforderungen, innovativen Themen aber auch zu schwierigen Themen und Ereignissen
- Leistungssteigerung der Organisation als Ganzes im Blick haben, Menschen ermutigen, Potentiale individuell und kollektiv fördern auch über Widerstand hinweg
- nicht an das von Marketinginteressen geschwängerte Geschwafel der eigenen Fachwelt glauben — gut hinsehen, prüfen, was nur Mode ist und was wirklich für die Praxis taugt
- Konzepte selbst entwickeln, die zum Unternehmen passen — statt Schablonen einkaufen
- höchste Anforderungen an die Auswahl externer Partner, bei größeren Vorhaben immer gemeinsam mit dem Management
- für hohe professionelle Standards sorgen, für diese werben, Vereinbarungen erzielen und dann freundlich entschieden im Alltag deren Bestand sichern, auch bei Gegenwind
- mit Augenmaß und dosiert agieren: Entwicklung passiert in den Menschen und in der Organisation, im sozialen System, im Alltag, nur(!) in eigener Verantwortung - ausgelöst (vielleicht!) durch richtige Impulse zur richtigen Zeit und eben nicht im Seminarraum, durch Trainings- oder Workshop-Stafetten. Ein Zuviel davon kann eine Organisation lähmen und Wert vernichten — und Entwicklung geradezu verhindern!