22.08.2010 - Kritische Stimmen zur Matrixorganisation - u.a. Kritik von Malik
Vor meinem Urlaub hatte ich einen Kundentermin zur Einführung einer Matrixorganisation. Dabei brachte mein Gesprächspartner auch zur Sprache, dass Herr Malik sich ja aktuell deutlich gegen die Matrixorganisation ausspräche.
Für mich war das nicht neu. Herr Malik äußert sich schon lange negativ zur Matrixorganisation, u.a. auch in seinem weitverbreiteten Buch "Führen — Leisten — Leben" (Stuttgart/München 2001, p. 105). Malik lehnt sich möglicherweise mit seinen kritischen Überlegungen zur Matrixorganisation an die im Bestseller von Peters / Waterman "Auf der Suche nach Spitzenleistungen" (Landsberg 2000, p. 351-362) enthaltenen Einschätzungen an (... und spricht in seinem Buch immer wieder von solchen "Spitzenleistungen").
Die beiden Amerikaner schrieben 1982, dass praktisch keines der erfolgreichsten amerikanischen Unternehmen eine Matrixorganisation aufweise — was allerdings eindeutig nicht der Wahrheit entsprach und dennoch bewirkte, dass damit die Matrixorganisation in Managementkreisen an Ansehen verlor.
Peters und Waterman räumten ein, dass zumindest Boeing sich noch in einer Art Matrixorganisation befände. Allerdings galt dies damals auch für so bekannte Unternehmen wie Texas Instruments, Intel, Digital Equipment, Bechtel (nach Galbraith 2009) und andere, was sie nicht erwähnten.
Nun ist Herr Malik ja im deutschsprachigen Raum jemand, der in Top Etagen Gehör findet. Daher wollte ich mich zu seiner Kritik und zu aktuellen Aussagen im Internet kundig machen. Ich fand u.a. in einer Seminarausschreibung seines Trainings-Instituts die Passage "... Einführung falscher Organisationen, u.a. der Matrix-Organisation ...". Ein anderes Seminar wird in Zürich für den 13. November 2008 angekündigt mit dem etwas apoditiktisch klingenden Titel: "Die Matrix hat versagt — was nun?"
Das macht wundern — befinden doch immer mehr Unternehmen in Matrixstrukturen, manche sind damit schon lange äußerst erfolgreich, obwohl sie eine hochkomplexe Matrixorganisation aufweisen wie z.B. IBM.
Man scheint ohne die Matrixorganisation nicht auszukommen, will man sich der zunehmenden Komplexität des Geschäfts stellen - insofern ist die Matrix eine organisationslogische Folge und nicht die Ursache von Komplexität, wenngleich sie natürlich auch ihrerseits komplex ist. Komplexität, um Komplexität in den Griff zu bekommen.
Jene Unternehmen, die die Matrixorganisation wieder verlassen, tun nichts anderes als sich organisatorisch neu zu sortieren — ohne jeden Hinweis darauf, sie seien mit der Matrixorganisation gescheitert oder diese sei schlecht. Selbst diese Unternehmen behalten dabei nach meiner Erfahrung stets, ab einer gewissen Unternehmensgröße zumindest, auch weiterhin relevante Teile des Unternehmens in einer Matrixorganisation. So "falsch" kann die Matrix also wohl nicht sein.
Andererseits stelle ich fest, dass einige Autoren gerne der Organisation die Schuld geben, wenn diese nicht funktioniert - ein wenig kling das ja auch im o.g. Seminartitel "Die Matrix hat versagt" an. Weiß man, dass manche dieser Autoren nicht nur die Matrixorganisation infragestellen sondern auch skeptisch zur Teamarbeit stehen, dann beschleicht mich der Eindruck, da habe man weder das Eine - die Matrixorganisation - noch das Andere - die Teamarbeit - wirklich verstanden.
Tatsache ist, dass die Matrixorganisation ein Höchstmaß an funktionsübergreifender Zusammenarbeit und Teamarbeit benötigt. Beides erfordert eine Unternehmenskultur, die weit über die Standards hierarchieorientierter Unternehmen hinausgeht - und das ist die eigentliche Problematik der Implementierung einer Matrixorganisation. Weshalb wohl eine so renommierte Institution wie die Mayo Klinik - durchaus "gematrixt" - einen hohen Aufwand bei der Personalauswahl treibt, um kooperationsorientierte Team Player und keine ehrgeizigen und heldenhaften Einzelkämpfer an Bord zu holen.
Ich vertrete die Auffassung, dass nie die Organisation "schuld" sein oder versagen kann. Wenn eine Organisation nicht funktioniert, so sind es nach meiner Erfahrung Mängel im Organisations- und Prozess-Design sowie in der Kultur des Unternehmens und in der Qualifikation des Managements, den spezifischen Anforderungen einer Organisation gerecht werden zu können.
Dies allerdings wirkt gerade bei Einführung einer Matrixorganisation besonders fatal, sind doch deren Anforderungen außerordentlich hoch. Erschreckend oft wird ein so komplexer Vorgang wie die Einführung einer Matrixorganisation vollzogen, ohne dazu einen Changeprozess und hinreichende Qualifizierung von Führungskräften und Mitarbeitern in Schlüsselfunktionen vorzusehen.
Die Matrixorganisation erfordert auf allen Ebenen ein völlig anderes Managementverständnis, neue Rollen und Spielregeln für alle in der Matrixorganisation eingebundenen Partner. In traditionell ausgerichteten Programmen der Führungskräftequalifizierung sind dazu jedoch keine zielführenden Impulse zu erwarten — das dort meist vermittelte Grundverständnis von Führung ist geradezu konträr zu den Anforderungen einer Matrixorganisation.