17.07.2018 -
Globale oder nationale virtuelle Teams — jeweils anderer Ansatz der Teamentwicklung
Virtuelles Team ist nicht gleich VT
Zu oft werden virtuelle Teams bei der Teamentwicklung gleichgesetzt mit "normalen" funktionalen bzw. den klassischen Face-to-face Teams. Dies ist durchaus ein wichtiger Punkt der Teamentwicklung, ergänzen, ersetzen oder verdrängen doch in großen international aufgestellten Unternehmen virtuelle Teams zusehends herkömmliche Face-to-face Teams.
Setzt man in Unkenntnis der Unterschiede virtuelle und klassische Teams gleich, kann man zur fehlerhaften Einschätzung gelangen, virtuelle Teams sollten einfach einen vergleichbaren Prozess der Teamentwicklung durchlaufen.
Doch das unterschlägt die erheblichen Unterschiede nicht nur zwischen funktional und/oder lokal angesiedelten Teams und virtuellen Teams, deren Realität und Leadership-Anforderung ungleich komplexer ist.
Zudem werden die erheblichen Unterschiede übersehen, die zwischen den verschiedenen Arten virtueller Teams selbst geben sind — und denen man mit einer "Standard-Teamentwicklung" nicht gerecht werden kann.
Wie sehr unterscheiden sich doch allein diese virtuellen Teams, mit denen wir arbeiten:
- ein globales virtuelles Team (GVT) eines Chemiekonzerns — ein globales Sales-Management-Team bestehend aus Teamleitern von allen Kontinenten, das sich zu F2F-Team-Workshops in Barcelona trifft
- ein Team bestehend aus Regional Business Managern und Direktoren aus der Pharma-Branche mit Verantwortung für den deutschsprachigen Raum — in deren weitgehend autonom agierenden Accountteams bestimmte Funktionen sich in mehreren Teams zugleich virtuell wiederfinden
- ein über 3 Länder Europas verteiltes Team Finances & Controlling aus der Luftfahrtbranche, das sich nach Jahren der "digitalen" Kooperation erstmals physisch trifft
- ein international zusammengesetztes Marketing-Team in der Pharmabranche, verantwortlich für die Region Asien, das zur Definition der regionalen "Marketingstrategie Asien" zu einem Workshop zusammenkommt — alle Mitglieder residieren als Leiter des nationalen Marketing in den jeweiligen Ländern, der Marketingchef der Produktgruppe ist als einziger in Deutschland angesiedelt und führt virtuell von hier aus
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Alle Teams und ihre jeweiligen Teamleiter haben von der Aufgabe und dem organisationalen Setting sowie den interkulturellen Aspekten her völlig andere Anforderungen zu bewältigen. Die Herausforderungen sind im ein weltweites Ländernetz umspannenden Team generell andere als in einem geografisch näher beieinander liegenden virtuellen Team, wobei dennoch auch hier relevante Unterschiede z.B. zwischen den einzelnen asiatischen oder auch deutschsprachigen Ländern bestehen.
In vielen Fällen ist eine Matrixorganisation das organisationale Hintergrundbild des Unternehmens. Matrixorganisation und virtuelle Teams sind in internationalen Unternehmen fast immer untrennbar miteinander verbunden. Komplexität und Dynamik sind Charakteristika beider Organisationsformen sowie neben den unzweifelhaften Vorteilen auch die Herausforderung, unter erschwerten Bedingungen Wirkung zu erzielen.
In allen o.g. Fällen geht es um die vergleichbar schwierige Aufgabe der Teamführung auf Distanz (siehe dazu den Artikel Teamführung auf Distanz). Es gilt, virtuelle Teammitglieder oft über Raum-, Zeit-, Unternehmens- und Kulturgrenzen hinweg zu integrieren, dabei kulturelle Unterschiede zu berücksichtigen und verschiedene Businesspraktiken in ihren Auswirkungen zu harmonisieren.
Dies hat unausweichliche Konsequenzen für die Kompetenzprofile der Akteure. Die Anforderungen an die Persönlichkeit von Teamleader wie Teammitglieder steigen. Was bei einigen unserer Kunden dazu führt, spezielle Programme zur Qualifizierung für Mitarbeiter auf Arbeitsebene wie für Führungskräfte zu entwickeln.
Dabei geht es u.a. um diese Themen:
- Positionierung des eigenen Anliegens/Themas
- Vielfalt und Unterschiedlichkeit von Menschen und Themen bewältigen, mit Komplexität und Dynamik einflussnehmend umgehen
- Sich selbst organisieren und widersprüchliche organisatorische Anforderungen integrieren
- Ich als Professional — mein Profil, meine Haltung, meine Werte
- Präsenz — Grundlage persönlicher Wirkung und wie ich ankomme
- Story-telling — mehr als nur Inhalte transportieren
- Personal Branding — woran man mich erkennt und was mich ausmacht als Profi
- Beeinflussungsstrategien, argumentieren, überzeugen und Einfluss nehmen — oft über Kultur- und Zeitgrenzen hinweg
- Standing entwickeln, u.a. sich in/gegenüber der Hierarchie behaupten ohne eigenen hierarchischen Status
- ein Team / eine Organisation virtuell führen
- Führung übernehmen ohne Macht auszuüben/zu haben
- Mehrdeutigkeit und Unvollkommenheit aushalten und balancieren und anderen durch Sinnstiftung dabei helfen
- interkulturelle Sensibilität als Einstellung und Haltung leben
Was die eingangs erwähnte Gleichsetzung der Teamentwicklung von virtuellen und nicht-virtuellen Teams angeht: Es gibt erhebliche Unterschiede, ohne darauf hier näher einzugehen. Tatsächlich ist manchmal gar keine Möglichkeit gegeben, einen Präsenz-Workshop mit dem ganzen Team durchzuführen.
Es geht daher vielfach darum, Teamleiter internationaler/globaler virtueller Teams darin zu qualifizieren, der virtuellen Führungsrolle besser gerecht zu werden. Und wenn doch einmal ein Präsenzworkshop realisierbar ist, so sind andere und zumindest weitere Gesichtspunkte im Vordergrund als in einer "normalen" Teamentwicklung bei einem konventionellen Face-to-face Team.
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