Change Management - effizient geht´s manchmal auch
Allgemeines:
Immer wieder steckt man als Berater in der Situation, dass man die mit Change Management Projekten verbundenen Herausforderungen viel größer einschätzt als der Kunde selbst, der sich einen "effizienten" Changeprozess wünscht. Meist werden dabei die eigene Changerfahrung überschätzt und der mentale und methodische Anpassungs- und Veränderungsbedarf bei Führungskräften und Mitarbeitern unterschätzt.
Im Zuge der gemeinsamen Prozessplanung für das Change Management entwickelt sich dann eine gemeinsam getragene Lösung, die mehr den Erfordernissen entspricht und meist zeitlich intensiver aussieht als vom Kunden zunächst angenommen.
Hier nun jedoch einmal das Beispiel eines in der Tat sehr effizient und dennoch erfolgreich verlaufenen Changeprozesses.
Ausgangssituation und Auftrag
Ein Kunde sprach mich an, ob ich kurzfristig sein Change Management Vorhaben unterstützen würde. Es handelte sich um den Technischen Service Bereich (ca. 700 Mitarbeiter) eines Gemeinschaftsunternehmens zwischen einer Bundesbehörde und der Privatwirtschaft.
Zwei Jahre zuvor hatten wir erfolgreich ein Projekt zur Verbesserung der Kundenorientierung durchgeführt. Ich musste aus Kapazitätsgründen ablehnen und empfahl einen erfahrenen Kollegen aus meinem Netzwerk.
Kurze Zeit später meldete sich der Auftraggeber erneut — man wolle keinen anderen Berater involvieren, ob man das nicht doch gemeinsam machen könne. Man fürchte den Aufwand, den es braucht, bis der andere Berater das Unternehmen versteht - und man habe Zeitdruck. Das Managementteam sei bereit, sich seinerseits voll zu engagieren, auch an Wochenenden, und vielleicht könne man meinen Anteil minimieren auf Konzeptarbeiten mit dem Managementteam und Anleitung für die Folgeaktivitäten, die man dann selbst übernähme, sowie wenige wichtige Workshops.
Ich sagte zu, die Haltung der Manager sprach mich an und ich kannte die Crew als führungsstark und sehr verlässlich. Und manchmal ist es eben einfach auch ein Reiz, gemeinsam eine als kaum machbar eingeschätzte Herausforderung anzugehen.
Die Aufgabe war in der Tat eine Herausforderung. Es ging darum, die 12 dezentral in der Fläche angesiedelten Standorte mit insgesamt ca. 200 Mitarbeitern zu schließen und am Ort der Hauptverwaltung alle 700 Mitarbeiter zu zentralisieren. Auf das Experten-Know-how der Mitarbeiter war man dringend angewiesen, man wollte möglichst wenige verlieren. Auch sollte der Kunde keine Leistungsverschlechterung erfahren.
Es galt, das Leistungsportfolio des Bereichs neu zu skizzieren, Prozesse neu zu gestalten, Aufgaben und Mitarbeiter teilweise neu zuzuordnen und für Abteilungen und Teams die neue Identität greifbar zu machen.
Vorgehen
Der Start erfolgte an einem Freitagabend in einem Wochenend-Workshop mit dem Bereichsleiter und den Abteilungsleitern zur Planung des Gesamtprozesses Change Management. Dabei wurde wegen meiner begrenzten Möglichkeiten zu externer Unterstützung auf aufwändige Maßnahmen unter Beteiligung vieler Mitarbeiter bewusst verzichtet. Vielmehr wurde das Design soweit abgespeckt wie möglich.
Es ging darum, den Fokus auf Unterstützung des Managementteams zu legen und immer wieder zu klären: Was ist jeweils zu tun? Wie können wir das selbst tun? Welche Tools nutzen wir? Worauf müssen wir achten — auch in unserer Rolle?
Gleichwohl wurde ein erweitertes Changeteam vorgesehen (das sich übrigens mehrfach im Changeprozess traf aber nur zweimal bei Schlüsselmeetings extern moderiert wurde), darüberhinaus wurden die Aktivitäten der Führungsteams der Abteilungen im Rahmen des Changeprozesses festgelegt. Weiterhin wurde der Rhythmus festgelegt, in dem sich das Leitungsteam zum Changevorhaben treffen würde.
In einem weiteren Meeting im Leitungskreis wurde verständigt, welche Stakeholder wie eingebunden und adressiert werden sollten. Ein wichtiger Kern der Überlegungen war immer wieder das Kommunikationsdesign — was / wie / für wen / wann / durch wen kommuniziert wird.
Nach Abschluss der Planung für den Change Management Prozess wurde das Vorhaben dem erweiterten Changeteam unter Einbindung des Betriebsratsvorsitzenden vorgestellt. In diesem eintägigen Workshop wurde das Vorgehen in Kleingruppen konkretisiert — die Abteilungsleiter planten mit ihren Teilgruppen das Vorgehen. Im Plenum wurde alles noch einmal abgestimmt — und sichergestellt, dass alle Anwesenden das Vorgehen mittragen. Der Betriebsratsvorsitzende äußerte sich sehr positiv zu diesem "sauber geplanten" Vorgehen, das er sich für andere Bereiche im Unternehmen auch wünsche...
In der Folge dieses Workshops wurden in internen Arbeitsgruppen nach einer zuvor verständigten Struktur Prozesse, Aufgaben und Verantwortlichkeiten neu definiert und untereinander in Pflichtmeetings abgestimmt. Anschließend erfolgte ein weiterer Workshop unter externer Moderation zur Konsolidierung des neuen Organisationskonzepts.
Der Kommunikation zum Prozess wurde großes Augenmerk geschenkt, wie bereits ausgeführt. Zwingend erforderlich war es jedoch, möglichst alle Mitarbeiter zu gewinnen — v.a. jene nicht zu verlieren, denen im Zuge der Zentralisierung ein Wohnortwechsel und teilweise auch die Zuordnung zu einer neuen Abteilung bevorstand.
Die Abteilungsleiter zeigten hier hohen persönlichen Einsatz. In Einzelgespräch mit jedem Mitarbeiter machten Sie deutlich, warum diese Veränderung notwendig ist — und dass sie den jeweiligen Mitarbeiter dringend brauchen und keineswegs verlieren möchten.
Das zeigte Wirkung. Nur 2 der Mitarbeiter kündigten! Alle anderen waren bereit umzuziehen, natürlich unter Kompensation und mit angemessenen Übergangsfristen.
Nachdem die Organisationsänderungen klar waren, fand mit den Führungskräften jeder Abteilung ein Workshop statt, je 1 Tag extern moderiert, mit dem Fokus, "was müssen wir anpacken, um die neue Abteilung ins Laufen zu bekommen". Die Umsetzung der dabei verständigten Maßnahmen erfolgte danach eigenständig.
Insgesamt betrug der Gesamtaufwand an externer Unterstützung nur 12 Tage.
Ergebnisse
Die Organisationsänderung war ein voller Erfolg. Nur 2 der Mitarbeiter kündigten, viel weniger als ursprünglich befürchtet. Für die in der Umstellphase auftretenden Schwierigkeiten war es durch gute und frühzeitige Kommunikation mit den Kunden gelungen, Verständnis zu gewinnen.
Das neue Modell bewährte sich entgegen ursprünglicher Befürchtungen (Zentralisierung = Verlust an Kundennähe) bei den Kunden und brachte intern die gewünschten Bündelungseffekte.
Die Bereitschaft der Manager, sich so für die Veränderung einzusetzen, hatte neben der unmittelbaren Wirkung im Changeprozess auch einen großen Lerneffekt für die Beteiligten. Hier haben sich bereits zuvor überzeugende Führungskräfte zum changeerfahrenen Manager entwickelt.
Abschliessend sei jedoch gesagt, dass ein umfassender Changeprozess so in der Regel nicht durchführbar ist. Wir haben viele Abstriche gemacht und es hat funktioniert. Das v.a. wegen des Einsatzes und der menschlichen Haltung der Managementcrew. Und wir hatten Glück, denn es gab nur sehr begrenzt Widerstand.
Auch wenn ich ein Freund effizienter Veränderungsarbeit bin und übertriebenen Aufwand kritisiere, ist doch so begrenzter Aufwand wie geschildert nun nicht Normalfall in Changeprojekten.