17.08.2008 - War for talents - bei Frauen schon verloren?
Talent Management: Wo sind die vielen bestens ausgebildeten Frauen?
Ein interessanter Artikel in der Harvard Business Review vom Juni 2008 "Stopping the Exodus of Women in Science" thematisiert die Problematik, dass angesichts der Knappheit an hoch qualifiziertem Fach- und Führungspersonal so wenige hoch qualifizierte Frauen in aktiver Berufstätigkeit stehen.
Es ist nun wohl keineswegs so, dass es zu wenige Wissenschaftlerinnen, Ingenieurinnen und andere Expertinnen gäbe. Die Dramatik liegt viel mehr darin, dass sie in erheblicher Anzahl sehr wohl vorhanden sind und verfügbar wären - aber ihre angestammte berufliche Rolle verlassen!
Das sollte ein Alarmsignal für das Human Resource Management sein, zeigt auch auf, dass es mit den viel beschworenen Konzepten des Talent Management nicht so weit her sein kann. Den War-for-talents bei Frauen also verloren?
Die Autorinnen nennen 5 aufschlussreiche Gründe dafür, die ich teilweise so auch in meiner Beratungspraxis und aus der Zusammenarbeit mit Managerinnen als Problemfelder kenne:
Am häufigsten vertreibt eine feindliche Kultur im Arbeitsumfeld die Frauen aus anspruchsvollen Tätigkeiten. Die Autorinnen benennen den Machismo in den meisten US Unternehmen als wichtigste Ursache (...den es teils auch in deutschen Unternehmen gibt, gelegentlich jedoch hinter Fassaden verdeckt).
Die entmutigende Erfahrung der Isolation ist ein weiterer Faktor, der entsteht, wenn eine Frau die einzige weibliche Person in ihrer Gruppe oder in ihrer Hierarchieebene ist. Das Problem verschlimmert sich für andere, wenn dann eine der wenigen Frauen im Umfeld die Organisation verlässt.
Es gibt einen krassen Unterschied zu dem von Frauen bevorzugten Arbeitsstil und dem männlichen Konkurrenzkampf und "Hüftschuss-Management" nach Django- und John Wayne-Manier, wie es in männlich dominierten Unternehmen oft noch belohnte Praxis ist.
Extrem anfordernde Jobs mit langen Arbeitswochen und hoher Reisetätigkeit sind gerade in anspruchsvollen Tätigkeiten vorherrschend und lassen sich nicht gut vereinbaren mit der Situation, dass auch in Doppelverdienerhaushalten die Hausarbeit oft von den Frauen zusätzlich zum Job bewältigt werden muss. Wenige halten dieser Doppelnbelastung stand.
- Mangelnder Karrierefortschritt ist ein weiterer Punkt der Klage. Es fehlt die Beständigkeit verursacht durch die Isolation und fehlende Sponsoren. Frauen finden sich dadurch öfter eher in helfenden oder umsetzenden Rollen, während Männer die illustren konzeptionellen oder gestaltenden Rollen besetzen.
Einige Erkenntnisse sind nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Beschäftigung von Frauen interessant. Man kann auch mutmaßen, dass eine feindselige und durch männliche Machismen geprägte Unternehmenskultur sicher auch kreative männliche Leistungsträger zu vergraulen geeignet ist. Es ist gelegentlich schon bedenklich, wieviel feindseliges Verhalten in nicht wenigen Unternehmen bei aufmerksamer Beobachtung festzustellen ist.
Beim zunehmenden Fachkräftemangel ist die Frage zwingend, wie ein Unternehmen sich die besten personellen Resourcen erschließen kann. Dabei festzustellen, dass eine große Zahl hervorragend qualifizierter Frauen angesichts der o.g. Umstände in Unternehmen schlicht das Mitmachen verweigert, muss nachdenklich machen.
Respekt für die Haltung der Frauen, die da nicht mitspielen - und vielleicht Anlass darüber nachzudenken, wo und wie man im Unternehmen ansetzen müsste, um attraktiv für diese Zielgruppe potentieller Mitarbeiter zu werden.
Es scheinen ja nicht die schlechtesten Motive zu sein, die diese bewegen, dem Arbeitsleben bislang fern zu bleiben. Auch ein Thema für Employer Branding, wie man das inzwischen nennt und wer weiß: Vielleicht stellt sich auf diesem Wege ja im einen oder anderen Unternehmen dann sogar ein grundlegender Kulturwandel ein, der richtig Potential freisetzt.
Siehe auch: Frauen in Beruf und Management - interessante Auswertungen.