28.09.2008 - Zeitmanagement ... und feudales Führungsverhalten
Respekt vor der Zeit anderer.
Zeitmanagement soll die produktiv verfügbare Zeit von Managern und Mitarbeitern maximieren. Das Thema enthält einen technisch organisatorischen, einen persönlichen sowie den meist ausgeblendeten kulturellen Aspekt. Die ersten beiden Aspekte sollen hier ausgeblendet bleiben, gibt es doch eine Vielzahl brauchbarer Bücher und Seminare dazu.
Problematischer weil in den Gewohnheiten einer Organisation habitualisiert und daher oft unreflektierte Alltags-Praxis sind kulturelle Aspekte des Zeitmanagements. Dringlichkeitsorientierung oder Adhocismus als Merkmale von Führungsverhalten sind weit verbreitet und bekanntermaßen Hemmnisse für wirkungsvolles (nicht nur: Zeit-) Management.
Doch hier soll es um den "Respekt vor der Zeit anderer" gehen. So nannte dies ein Managementteam, bestehend aus 6 Geschäftsbereichsleitern eines größeren Unternehmes, die sich darüber beklagte, dass der Vorsitzende der Geschäftsführung ständig ihre Terminplanung dominierte.
Es ist in manchen Unternehmen zu beobachten, dass – oft über mehrere Hierarchiebenen hinweg – ein antiquierter quasi amtsautoritärer oder gar monarchistisch zu nennender Umgang mit der Zeit anderer vorherrscht. Wie zeigt sich dies?
Da werden Mitarbeiter, selbst hochrangige Führungskräfte, stets (von gelegentlichen Anlässen ist hier nicht die Rede) herbeizitiert "...kommen Sie doch eben mal rüber...". Oder gegenüber der Sekretärin: "Holen Sie mir doch eben mal den Herrn XY...". Selbst wenn es um das Büro nebenan geht, ist das fragwürdig, gelegentlich erfolgen solche Aufforderungen jedoch selbst gegenüber Abteilungs- und Bereichsleitern, die sich dazu dann zur Fahrt ins Auto setzen müssen.
- Da werden Besprechungstermine einfach gesetzt, in der Erwartung, dass die Beteiligten ihre Planungen daran orientieren und nun alles daran setzen, evtl. selbst bereits Terminiertes umzuplanen. "Ober sticht Unter" ist das ironische Motto, nachdem alle handeln.
Man erntet oft Überraschung, wenn man ob solcher Gepflogenheiten der Führung Erstaunen zeigt. Da werden völlig selbstverständlich die eigene Zeithoheit und die daran hängenden Planungen preisgegeben, um den spontanen Eingebungen von Vorgesetzten nachzukommen.
Auch ansonsten scheint es in manchen Unternehmen Praxis zu sein, Planungen anderer – v.a. natürlich die der eigenen Mitarbeiter – nach Gutdünken zu dominieren und die eigenen Vorstellungen einfach zu diktieren. Die Frage: "Hätten Sie denn am Dienstag um 10 Uhr Zeit?" wird gar nicht erst gestellt - und keiner denkt sich etwas dabei. Termine werden schlicht gesetzt und nicht etwa abgestimmt.
So etwas passt nicht in die Zeit. Verantwortlich und eigeninitiativ tätige Mitarbeiter (das sind zunehmend auch die Mitarbeiter an der Basis und in der Fabrik) müssen selbst über ihre Zeit verfügen können. Sie sind selbst gestalterisch und planend tätig und sollen ihre Zeit produktiv einsetzen.
Sie sind daher bei zeitlichen Planungen als Verhandlungspartner anzusehen und können nicht einfach mal zu einem Termin z.B. in die Zentrale beordert werden – allenfalls in gut begründbaren Ausnahme- und Notsituationen und auch dann mit einer freundlichen Bitte verbunden.
Wenn man nachdenkt, ist das eigentlich selbstverständlich. Und doch ist damit immer wieder ein Beobachtungsmerkmal verbunden, das eine Aussage über die kulturelle Prägung einer Organisation zulässt.