24.04.2009 - Unkollegiales Verhalten beschädigt Führungskultur und Leistung
Führung muss eingreifen, sonst wird die Unternehmenskultur beschädigt.
Unkollegiales Verhalten von Mitarbeitern führt stets zu erheblichem Unmut bei den davon betroffenen Kollegen. In Workshops und Seminaren wird dies immer wieder zum Thema.
Vorgesetzte schauen oft weg, bekommen unkollegiales Verhalten gelegentlich auch gar nicht mit. Und wenn, dann scheuen sich manche, dies zum Thema zu machen. Dabei beschädigt kaum ein Verhalten die Unternehmenskultur mehr, als die Duldung unkollegialen Verhaltens.
Dies wird als große Ungerechtigkeit wahrgenommen und ist geeignet, Zweifel an der Führungskompetenz der Vorgesetzten aufzuwerfen und das Vertrauen in die Führung (insgesamt - nicht nur gegenüber dem jeweiligen direkten Vorgesetzten!) zu zerstören.
Wie kommt es dazu? Es gibt nach meiner Erfahrung grob skizziert zwei unterschiedliche Situationen:
1. Der Vorgesetzte bekommt unkollegiales Verhalten nicht mit:- Oft bekommen nur die von unfairem Verhalten direkt Betroffenen dies mit, wollen aber darüber nicht sprechen, fürchten einen Mobbing-Vorwurf bzw. selbst als unkollegial zu gelten, wenn sie die Unkollegialität eines Kollegen ansprechen.
- Betroffene und Kollegen haben aufgegeben, nehmen die Situation hin, verbinden aber praktisch immer einen unterschwelligen, wenn nicht Dritten gegenüber sogar offenen Vorwurf an den verantwortlichen Vorgesetzten damit ("...die / der muss das doch merken...").
- Manchen Vorgesetzten fehlt ein innerer Seismograph, sie nehmen zwar die Interaktion unter den Mitarbeitern wahr, erfassen aber den vergifteten Gehalt von Botschaften und Verhaltensweisen nicht. Diese Unsensibilität kann echt oder aber Verdrängung sein. Macht man sie aufmerksam, reagieren diese Führungskräfte oft überrascht, ungläubig oder abwehrend.
- Die problematische Haltung "... die sollen das unter sich regeln".
- Der unkollegiale Mitarbeiter hat einen Sonderstatus, der Vorgesetzte will sich aus bestimmten Gründen nicht mit ihm / ihr anlegen.
- Der Vorgesetzte ist unsicher, ob bzw. wie er eingreifen soll - leider häufiger anzutreffen!
Dauerhaft und nicht nur als Ausrutscher auftretendes unkollegiales Verhalten ist Ausdruck dafür, dass die Führungskultur und die Kultur der Zusammenarbeit gestört sind, dies nicht erkannt oder bearbeitet wird. Erstaunlich häufig finden sich auch respektloses Verhalten und abwertende Kommunikation gegenüber Nachbarabteilungen, ohne dass Vorgesetzte einschreiten.
Vielen ist nicht bewusst, dass dies Ausdruck mangelnder Kultursensibilität und mangelnder Kooperationskompetenz ist. Beides Schlüsselkategorien modernen Managements in komplexen Organisationen, wie z.B. der Matrixorganisation, die auf Vertrauen und kooperationsorientierte Haltung zwingend angewiesen sind.
In einer gut funktionierenden Abteilung wird unkollegiales und abwertendes Verhalten nicht toleriert. Die Mitarbeiter machen dies selbst zum Thema bzw. der Vorgesetzte erkennt solches Verhalten und reagiert darauf, indem er seine Wahrnehmung anspricht und ein angemessenes Verhalten vom Regelverletzer einfordert.
Unkollegiales Verhalten führt bei der Opfern dazu, dass sie enttäuscht, verärgert und frustriert sind, oft auch Rachegelüste entwickeln und ausleben. Dies kann gelegentlich bis zu verdeckten Kriegen in der Belegschaft führen, wo dann Cliquen gegeneinander stehen, die jede Gelegenheit nutzen, der anderen Seite Steine in den Weg zu legen.
Manchmal verlassen betroffene Mitarbeiter das Unternehmen oder die Abteilung, um dem vergifteten Klima zu entgehen. Schlimmer ist jedoch oft, wenn die Betroffenen bleiben, nicht mehr mitziehen und die Leistung der Organisation nach unten ziehen.
Wie negativ sich unkollegiales Verhalten im Unternehmen auswirkt, belegt eine über zehn Jahre angelegte Studie*) aus den USA. Einige tausend Manager und Mitarbeiter wurden nach ihren Reaktionen auf unkollegiales Verhalten ihrer Kollegen und Vorgesetzten befragt:
- 48% verringerten ihren Arbeitseinsatz
- 47% reduzierten die Zeit am Arbeitsplatz
- 38% verschlechterten ihre Arbeitsqualität
- 66% gaben an, dass ihre Leistung nachließ
- 80% verloren Arbeitszeit, indem sie Sorgen über den Vorfall nachgingen
- 63% verloren Zeit damit, dem unkollegialen Kollegen auszuweichen
- 78% gaben an, ihre Identifikation mit der Organisation habe abgenommen
Die Autoren der Studie weisen darauf hin, dass in Zeiten, in denen Personalreduktion dazu führt, dass der Einzelne mehr leisten muss, nicht toleriert werden kann, dass unkollegiales Verhalten einiger weniger die Performance aller anderen Mitarbeiter beeinträchtigt. Dem ist nichts hinzuzufügen.
*) Porath, Christine, Pearson, Christine: How Toxic Colleagues Corrode Performance, in: Harvard Business Review, April 2009, p.24; erscheint demnächst als Buch: The Cost of Bad Behaviour: How Incivility Is Damaging Your Business and What to Do About It.