31.05.2006 - Kundenorientierung - wirklich ein schwer zu knackendes Mysterium?
Mai 2006: Wer ist das kundenfreundlichste Dienstleistungs-Unternehmen?
Nun, im Zusammenwirken mit der Universität St. Gallen und einer Unternehmensberatung kürte das Handelsblatt Anfang Mai 2006 das kundenfreundlichste Dienstleistungs-Unternehmen. Rund 180 Unternehmen nahmen am Wettbewerb zur Kundenorientierung teil — Sieger als kundenfreundlichster Dienstleister wurde der Logistikspezialist TNT.
Nun mag man von solchen öffentlich zelebrierten Ritualen der Preisvergabe für irgendein Thema halten, was man will. Auch sind solche Wettbewerbe und deren Ergebnisse nicht repräsentativ. Doch sie lenken die Aufmerksamkeit auf ein Thema und geben den teilnehmenden Unternehmen die Chance, sich auf dem jeweiligen Gebiet zu profilieren. Und die Verbesserung der Kundenorientierung ist dieses Bemühen allemal wert.
Interessant ist es doch schon, sich einmal die Frage zu stellen, wie das eigene Unternehmen oder der eigene Bereich auf dem Feld der Kundenorientierung abgeschnitten hätte. Daher hier drei (von insgesamt 7) für die Bewertung relevante Kriterien der Jury:
- Wie wird die Kundenorientierung des Managements sichtbar?
- Wie stellt ein Unternehmen die Servicebereitschaft der Mitarbeiter sicher?
- Wie misst und analysiert es die Servicequalität?
Wer systematisch die Kundenorientierung voranbringen will, muss sich weiteren Themen stellen — am besten anhand von Merkmalen, die ganz konkret auf die Markt- und Kundenspezifika des eigenen Unternehmens hin entwickelt werden.
Nur die wenigsten Unternehmen bekämen Kundenorientierung in den Griff, als schwer zu knackendes Mysterium wird das Thema im Beitrag des Handelsblatts ("Am Anfang war der Kunde", Handelsblatt Nr. 087 vom 05.05.06) gar bezeichnet. Als Ursachen werden kulturelle Gründe genannt und die oft fehlende Gesamtstrategie zur Ausrichtung des Unternehmens auf den Kunden hin.
Dies ist sicher richtig — doch um ein schwer zu knackendes Mysterium handelt es sich bei der Kundenorientierung keinesfalls. Allerdings erfordert die nachhaltige Verbesserung der Kundenorientierung ein systematisches und umfassendes Vorgehen, will man auf diesem Gebiet etwas erreichen.
Dann bleiben Ergebnisse auch nicht aus, wie die Graphik aus einem 1200 Mitarbeiter Unternehmen belegt, das sich auf die Fahne geschrieben hatte, die Kundenorientierung zu steigern.
Innerhalb eines Jahres war eine deutliche Verbesserung zu verzeichnen, auch wenn zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht alle Maßnahmen abgeschlossen waren (so liefen u.a. noch Projekte zur kundenfreundlichen Gestaltung der Prozesse).
Eine wichtige Erfolgsbedingung zur Steigerung der Kundenorientierung ist die Entschlossenheit des Managements und die Bereitschaft, in einen umfassenden Verbesserungsprozess einzusteigen.
Dieser muss mentale und kulturelle sowie methodische und prozessuale Aspekte gleichermaßen berücksichtigen. Siehe hierzu auch unseren Artikel Lernen von und mit den Kunden (in "io — new management, Zeitschrift für Unternehmenswissenschaften und Führungspraxis" 12/2005 — im Downloadbereich zu finden).
Kurzfristige Erfolge kann man in aller Regel nicht erzielen. Es ist vielmehr ein längerfristiges und überzeugendes Commitment des Managements nötig, will man wirklich Veränderungen der Kultur des Unternehmens erreichen. Schnellschüsse zur Verbesserung der Kundenorientierung in Form einzelner allein stehender Seminare führen eben nicht zu einer dauerhaften Wirkung bei der Verhaltensänderung.
Vielmehr gilt es zunächst konsequent an der Verbesserung der internen Kundenorientierung zu arbeiten, also der Verbesserung der Zusammenarbeit im Unternehmen. So wie Sie die Mitarbeiter behandeln, so wie die interne Zusammenarbeit läuft, ist die Kundenorientierung. Die interne Kundenorientierung i.S. interner Kunden-Lieferantenbeziehungen ist ein Schlüssel für gelebte externe Kundenorientierung.
Kundenorientierung ist ein absolute Erfolgvoraussetzung und somit auch strategische Notwendigkeit. Und damit sollte Kundenorientierung ein Thema der Führung ausgehend vom Top Management sein. Viele Unternehmen schöpfen wegen unzureichender Kundenorientierung ihr geschäftliches Potenzial nicht aus.
Andere dagegen machen es vor und gehen den Weg der Kundenorientierung mit aller Konsequenz. Es gibt Beispiele von Unternehmen, wo der Kunde tatsächlich eine absolut zentrale Stellung hat — bis hin zu dem Punkt, dass für ihn im Unternehmen jederzeit (!) enorme Anstrengungen unternommen werden. Bei wem? Zum Beispiel bei einem sog. Hidden Champion, einem unserer langjährigen Kunden — nicht umsonst Marktführer in seiner Branche.