07.09.2010 - Kundenorientierung - geht´s bergab?
Das Bemühen um Einsparungen führt zu Leistungsverdichtung und einer Zunahme von Arbeitsverhältnissen unterhalb der Sozialversicherungsgrenze. Beim Bemühen um Kundenorientierung wirkt sich dies nach meinen Beobachtungen jedoch zunehmend negativ aus:
- Leistungen werden zunehmend abgespeckt
- Verrichtungen werden zunehmend auf den Kunden verlagert
- Eingesetztes Personal am POS wirkt immer öfter demotiviert und schlecht qualifiziert
- Der Personalaufwand für den Kunden wird extrem minimiert
Die Qualität der Leistung nimmt aus Sicht des Kunden in vielen Fällen dramatisch ab. Gelegentlich werden da kritische Momente erreicht, die den Kunden verprellen — auch wenn mich der Eindruck beschleicht, dass man sich immer mehr an den schlechten Zustand gewöhnt und nur noch der professionelle Blick Kopfschütteln auslöst.
Dabei sind die Versprechen über die Wertschätzung dem Kunden gegenüber geradezu überwältigend. Sein Wohlergehen, Glück, Zufriedenheit sind Kern allen Bemühens wird versprochen, man ist der freundliche Flughafen (... und gängelt Passagiere, schnauzt sie gelegentlich unverhohlen an).
Doch es gibt immer öfter eine geradezu schreiende Diskrepanz zwischen diesen Werbebotschaften und der Wirklichkeit der Kundenorientierung einiger der Unternehmen.
Kennt man die Realität mancher Unternehmen, die manchmal unerfreuliche Unternehmenskultur, die nicht vorhandene Zusammenarbeit über Funktionsgrenzen hinweg, die gelegentlich abwertende Haltung gegenüber Mitarbeitern, der zunehmende Einsatz von Menschen, die nicht zum Stammpersonal gehören, oft schlecht vergütet, so wundern Wahrnehmung und negative Erfahrung im Kundenkontakt nicht mehr.
Besorgt macht mich, dass als Folge etwas passiert, was oft übersehen wird: Die Kultur des Unternehmens und die Loyalität von Mitarbeitern schwinden, der Rückzug ins Private wird bei Führungskräften wie Mitarbeitern verstärkt. Kundenseits gehen Zufriedenheit, Kundenbindung und Vertrauen in die Seriosität des Unternehmens verloren — es wird nur noch zu einem Faktor im Preisvergleich.
Einige Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit:
- Beim Check-in am Business Schalter in Hamburg wird der Fluggast — abgesehen von einem gelangweilten und ostentativ "nichtfreundlichen" Ton - nicht auf die Möglichkeit hingewiesen, auf die frühere Maschine umzubuchen; als er dies selbst realisiert, ist eine Umbuchung am Gate trotz Bereitschaft des dortigen Personals nicht mehr möglich, da bereits Gepäck aufgegeben wurde
- Die Verkäuferin einer renommierten Modekette nimmt der Kundin Kleidungsstücke mit forschem Ton aus der Hand "Was wollen Sie damit?" (Zur Anprobe und zum Kauf kam es dann erst gar nicht mehr...)
- Die Nachfrage nach einem im Ausland gesehenen Kleidungsstück in einem anderen Haus hat die Antwort zur Folge "Was und ob wir das bekommen, wissen wir gar nicht. Ware kommt an und dann sehen wir, was wir haben und räumen das eben ein..."
- Am internationalen Flughafen in Frankfurt wird ein älterer Herr, der offenbar weder deutsch noch englisch versteht angeraunzt "Sie sind schließlich hier auf einem deutschen Flughafen, da sollten Sie etwas von der Sprache verstehen...". Ach ja, man ist auf Plakaten "der freundliche Flughafen"
- Checkin im Hotel: Es sind alle Parkplätze belegt — "Sie müssen sich hier weiter weg etwas suchen, denn hier ist überall Parkverbot..."; oder "...wir haben grade eine größere Veranstaltung, da können wir Ihre Wünsche nicht auch noch berücksichtigen..." (es handelt sich um einen Workshop mit 9 oberen Managern eines großen Konzerns - die hatten das wenig erfreut registriert und reagiert)
- Wie lange hingen Sie in der Warteschleife bei Ihrer Versicherung — um am Ende doch wieder weiterverbunden zu werden? Was zumindest bei meiner Versicherung (recht großer Laden!) scheiterte, denn "... die Mitarbeiter sind alle im Gespräch, ich gebe Ihnen daher die direkte Durchwahl... (die ich ja vermeintlich habe)", wo ich dann wieder warte. Als ich endlich durchkam, meldete sich ein freundlicher Herr, der sagte, das Gespräch sei wohl bei ihm in der Leistungsabteilung gelandet, weil die Kollegen aus der Vertragsabteilung alle telefonierten. Kafka läßt grüßen.
- Oder hat Ihr Arzt Ihnen von einer größeren OP abgeraten, da das vom Fallkonzept her nicht mehr im Budget abgedeckt ist — für Sie aber lebenswichtig? (WDR Sendung vom 7.9.2010)
- ...
Zahllose weitere Beispiele gäbe es. Wehrt sich der Kunde? Selten. Doch im Bewusstsein - und das wird dramatisch unterschätzt - tut sich zunehmend ein emotionaler Graben auf zwischen Unternehmen und Kunden. Und der schlägt sich ganz allmählich in der Bilanz nieder - dafür gibt es beredte Beisipele.
Nur anfangs wirkt sich die kundenunfreundliche Haltung, begründet durch fragwürdig kostensparende Personalkonzepte positiv aus - ist die Kundenloyalität erst mal weg, so ist sie schwerlich wiederzugewinnen.