01.08.2014 - Interkulturelles Management: Kultur-Verständnis wichtiger als Anpassung
Interkulturelles Training - Kontext wichtiger als Anpassung von Verhalten
Interkulturelles Training zu stereotyp?
Wenn wir Menschen aus anderen Kulturen begegnen, tendieren wir zu dem Versuch, uns ihrer Kultur anzupassen. Dies ist teilweise auch implizites Ergebnis gängiger interkultureller Trainings, wenn sie Teilnehmer mit kulturellen Stereotypen "infizieren" und Empfehlungen geben, wie man sich im jeweiligen Umfeld verhalten sollte.
Wie Luciara Nardon und Richard M. Steers in ihrem Artikel*) über eine erfolgreiche Begegnung mit fremden Kulturen feststellen, ist die vollständige Anpassung und Assimilation jedoch eine zu eindimensionale Herangehensweise, die die Verbindung zwischen Kultur, Kontext und Verhalten eines Managers außen vorlässt.
Nach Ansicht der Autoren reicht es nicht, sich auf der Makroebene interkultureller Begegnungen mit Themen wie z.B. Machtdistanz und Geschlechterrollen-Orientierung zu befassen. Vielmehr gehe es darum, sich situationsspezifisch richtig zu verhalten. Und es sei wichtig zu beachten, dass die kulturellen Verschiedenheiten nicht aus dem Kontext der interkulturellen Begegnung herausgetrennt werden können.
Menschen verhalten sich stets anders, wenn sie einer Person aus einer fremden Kultur begegnen, als wenn sie sich unter Angehörigen ihrer eigenen Kultur bewegen.
Auch gibt es innerhalb eines Landes verschiedene Gruppierungen, die sich unterschiedlich verhalten. Kultur und Verhaltensweisen können also nicht immer verallgemeinert werden.
Fähigkeit zur Einschätzung des Kontextes entscheidend
Das größte Problem bei einer interkulturellen Begegnung ist also letztendlich nicht, die andere Kultur vollständig zu verstehen, sondern den Kontext richtig einzuschätzen.
Es gibt mindestens drei kontextuelle Faktoren, die interkulturelle Begegnungen beeinflussen:
- Kultureller und institutioneller Kontext. Dies sind die Charakteristiken eines Landes oder einer Region bezüglich kulturelle Normen, Sprache oder auch Produktstandards, die die interkulturelle Zusammenarbeit beeinflussen.
- Organisationeller Kontext. Der organisationelle Kontext enthält organisations-/unternehmensspezifische Regeln, Richtlinien und Verhaltensnormen, die in der interkulturellen Zusammenarbeit beachtet werden müssen. Die nationalen Normen werden hierbei nicht berücksichtigt.
- Situationeller Kontext. Hier sind die Faktoren, die auf die Begegnung einwirken situationsbedingt, die Ausstattung spielt eine Rolle, die Räumlichkeiten und geographische Lage, die berufliche Stellung der Gesprächspartner und der Grund des Zusammenkommens.
Den Kontext zu verstehen, ist auch deshalb wichtig, weil er sich auf mehrere Aspekte im Verhalten auswirkt. So unterscheidet sich der Schwerpunkt unserer Aufmerksamkeit in Abhängigkeit vom Kontext.
Geht es um ein Meeting der Zentrale eines Unternehmens, wird der Schwerpunkt auf allgemeinen Erfordernissen und Zielen des Unternehmens liegen. Geht es dagegen um ein Meeting in einem dezentralen Produktionsstandort, wird der Schwerpunkt eher auf lokale Themen gesetzt werden, wie z.B. Probleme in der Fertigung oder mit den lokalen Gewerkschaften.
Vom Kontext hängt weiterhin ab, wie wir jemandes Verhalten interpretieren und welche Handlungsmöglichkeit wir wählen. Ein lässiger Kommentar gegenüber einem Kunden wird eher in einem Studentencafé fallen, als in einem Edelrestaurant, und wird dort auch gänzlich anders interpretiert und angenommen werden. Der Kontext einer Begegnung bleibt nie der gleiche, wenn ein Mensch aus einer fremden Kultur zu einer Gruppe hinzustößt
Globale Manager als interkulturelle Sinnstifter
Globale Manager spielen eine Schlüsselrolle in der Verständigung zwischen Kulturen. Durch ihre Interaktion mit Menschen aus anderen Kulturen beeinflussen sie Interpretationen und formen die Verständigung.
Globale Manager können daher als Sinnstifter bezeichnet werden. Sie weisen Handlungen und Ereignissen, die sonst zweideutig wären, aktiv eine spezifische Bedeutung zu.
Der Schwerpunkt eines globalen Managers sollte demnach nicht sein, die andere Kultur komplett zu verinnerlichen und nachzuahmen, sondern den Kontext einer Begegnung zu verstehen und richtig interpretieren zu lernen. Es geht darum, das Gegenüber und seine kognitiven Prozesse zu verstehen.
So kann ein erfolgreicher globaler Manager Einfluss auf den Kontext nehmen, ihn quasi auch formen, und die Informationsverarbeitung mehrerer Akteure im gewünschten Sinne unterstützen und managen. Damit wird eine Interaktion gefördert, die den Spezifika des Kontextes Rechnung trägt und eine eigene transkulturelle Realität erschafft, unabhängig von den kulturellen Prägungen der beteiligten Akteure.
Diese dynamische Interpretation interkulturellen Handelns wird der Realität global agierender Manager eher gerecht als eine fast schon statisch anmutende Zuschreibung typisierender kulturspezifischer Verhaltensmuster — wie sie oft in interkulturellen Trainings erfolgt.
Katharina Peterke, JP-Consulting & Training GmbH
*) Nardon, L., Steers, R.M., Managing cross-cultural encounters: Putting things in context, Organizational Dynamics, (2014) 43, p. 138-145