17.10.2007 - Führung ist ein ganz schön persönliches Geschäft
Kann man führen, ohne Menschen zu mögen?
Ich glaube: Wer Menschen grundsätzlich nicht mag, kann auch nicht führen. Führung baut im zentralen Kern auf die Beziehung zu den Geführten. Wer dazu nicht fähig oder willens ist, verfügt nicht über die entscheidende Qualität jeder Führung, die Fähigkeit zum inneren Kontakt zu anderen Menschen.
Führungstechniken führen da nicht wirklich weiter. Sie sind Instrumente, die helfen, den Führungsprozess zu organisieren. Sie schaffen jedoch nicht die persönliche, emotionale und überzeugende Qualität des persönlichen Kontakts, den Führung als Grundlage braucht.
Die Menschen zu mögen und fähig zu sein, im Führungsgeschehen eine Beziehung zu anderen aufzubauen, heißt nun nicht, sich anzubiedern. Kumpanei und sogenannte "Bier-Calls" sind keine geeigneten Formen der Beziehungsgestaltung. Kumpanei ist ohnehin anrüchig, soziale Events können allenfalls ergänzend wirken, wenn Mitarbeiter tatsächlich gerne auch mal mit ihrem Chef privat zusammenkommen wollen.
Was nun tun, wenn jemand so gar nicht gut im zwischenmenschlichen Kontakt ist, gar Reserven zu den Mitmenschen spürt, gleichwohl eine Führungsaufgabe hat oder anstrebt?
Es gibt Formen der Gefühlsarmut, die jemanden grundsätzlich in seiner Beziehungsfähigkeit einschränken. So jemand wird nie eine überzeugende Führungspersönlichkeit werden, kann allerdings durch die überlegte Anwendung von Führungsinstrumenten und eine rationale Sensibilisierung für Erfordernisse des Führungshandelns eine noch durchschnittliche Führungsleistung entwickeln.
Ist die Kontaktaversion Folge einer schwierigen persönlichen Entwicklung oder entstanden als Folge von Enttäuschungen, kann durch gute und systematische Arbeit an diesen Themen oft eine Stärkung der Persönlichkeit erfolgen und so die Beziehungsfähigkeit zu anderen Menschen verbessert werden. In schwierigen Fällen wird dazu Psychotherapie erforderlich sein, in den "normalen" Fällen des betrieblichen Alltags kann persönlichkeitsorientiertes Coaching in Verbindung mit praktischer Anleitung im Führungshandeln hilfreich sein.
Führungskräfte können nur führen, wenn sie den Kontakt zu anderen Menschen wollen und auch leben können. Dies erfordert ein hohes Maß an Bewusstsein für sich selbst und die Fähigkeit, sich emotional in andere Menschen hineinversetzen zu können. Ist diese nur schwach entwickelt, so gibt es durchaus Chancen zu ihrer Entwicklung, Offenheit und die Bereitschaft zur tieferen Auseinandersetzung mit sich selbst vorausgesetzt. Das wird keinen anderen Menschen hervorzaubern, aber doch vielleicht einen zugänglicheren?
Dies lohnt. Denn schlechte Führung kommt oft gar nicht dramatisch daher… eher sind es mangelnde Sensibilität und mangelndes Ausdrucksvermögen im Kontakt mit anderen, was die Wirkung der Führung erheblich beeinträchtigt. Wer wirklich führen will, kommt um die Frage seiner Beziehung zu den Geführten nicht herum. Und dies bedeutet, sich seiner eigenen Persönlichkeit zu stellen — gerade auch dann, wenn man im Kontakt zu anderen Menschen so seine Probleme hat…