17.02.2008 -
Unternehmenskultur und Ethik in der Wirtschaft — haben wir ein Problem?
Der Fall Zumwinkel und die Wirkung auf die Unternehmenskultur - und es ist kein Einzelfall.
So kann man seine Karriere auch beenden. Einst von einem renommierten Beratungsunternehmen zur Post gekommen, eine vielfach bewunderte Karriere hingelegt, nun der freie Fall. Mitleid? Nein, wirklich nicht. Verwundertes Erstaunen und Sorge dagegen, weil dieses unverständliche Verhalten die Glaubwürdigkeit des Managements in den Unternehmen allgemein zur Frage werden lassen kann.
Wir haben wohl ein Problem hierzulande. Zumwinkel als Steuersünder, ein traditionsreicher deutscher Konzern mit juristischer Ahndung von Bestechung in dramatischem Ausmaß (Ergänzung 14.4.08: in einer umfangreichen Recherche des Spiegel in Heft 16/2008 wird das Geschehen im Konzern gar mit der Mafia gleichgesetzt), Banken mit Schieflage aus Managementfehlern heraus, Hartz Affäre, Unternehmen, die Mitarbeitern Stellenabbau und Lohnkürzungen abverlangten, während zugleich die Vergütungen in den Vorstandsetagen drastisch stiegen.
Für viele Menschen an der Basis ist das nicht nachvollziehbar, sie erleben eine nicht überbrückbare Kluft zwischen sich und dem Management, wie ich immer wieder erfahre.
Ethikkommission für die Wirtschaft? Mitarbeiter lächeln über solch nach ihrer Auffassung publicityorientierte Aktivitäten — ist da von der Wirkung her mehr spürbar als Beruhigung der Öffentlichkeit? Makaber wirkt es geradezu, wenn Herr von Pierer sich in einem Buch ("Zwischen Profit und Moral - für eine menschliche Wirtschaft") zu ethischen Fragen ausläßt.
Wir hören von der Sorge über den Linksrutsch bei Wahlen. So unerklärlich? Wir reden von Leistungsgesellschaft, hochwertiger Arbeit und motivierten Menschen hierzulande. Von "Wir - Gefühl" und der Gemeinschaft in den Unternehmen, dem an einem Strang ziehen oder in einem Boot sitzen…
Verfehlungen haben Wirkung
Die Verfehlungen weniger einzelner Unverantwortlicher zeigen durchaus Wirkung in einer Wirtschaft, die angesichts des globalen Wettbewerbsdrucks große Herausforderungen meistern und dazu den Belegschaften manches Opfer abverlangen muss - heute schon und vermutlich noch über Jahre andauernd. Da hilft auch nicht festzustellen, dass es solche Vorkommnisse schon immer gab und sie hierzulande vermutlich weder mehr noch weniger oft anzutreffen sind als in anderen Wirtschaftsnationen.
Menschen fehlen, auch in hochrangigen Positionen. Das Problem liegt darin, dass die in jüngster Zeit gehäuft aufgedeckten Verfehlungen einzelner weniger Top-Manager einen schleichenden Prozess des Vertrauensverlusts auslösen, der auch Unternehmen erfasst, deren Management — und das ist ja doch die Regel! — sich nichts vorzuwerfen hat und das sich ethisch vorbildlich verhält.
Das Erodieren einer Unternehmenskultur kann jedoch auch von äußeren Einflüssen geschürt werden. Insbesondere dann, wenn Unternehmen unter Anpassungsdruck stehen und massive Veränderungen einleiten müssen. Dann werden spektakuläre Verfehlungen in anderen Unternehmen gelegentlich pauschal und generalisierend auch auf das eigene Management übertragen. Der Widerstand gegen notwendige Maßnahmen bekommt dadurch eventuell eine kraftvolle emotional negativ und subversiv wirkende Dimension, die im Change Management nicht außer Acht bleiben kann.
Unabhängig davon scheint es angezeigt, die Wirkung dieses oben angesprochenen Skandals auf die Wahrnehmung im eigenen Unternehmen im Auge zu behalten. Denn die ganze Angelegenheit steht erst am Anfang der Aufklärung und Verfolgung und wird von vielfältigen Gruppierungen unter jeweils sehr spezifischen Interessenlagen ausgeschlachtet werden, nicht zuletzt von den Medien. Unternehmensleitungen, Unternehmer, Manager und deren Haltungen und Handlungen werden in die öffentliche Diskussion gezerrt werden.
Was kann man tun?
Es gibt m.E. 4 mögliche Handlungsfelder:
Auf der Ebene der Unternehmensleitung überprüfen, welche Werte für das Handeln des Managements definiert sind und ggf. Ergänzungen vornehmen. Die Mitglieder der Unternehmensleitung stehen in einer besonderen ethischen Verantwortung, was ihr Handeln und dessen ethische Standards angeht. Hierzu eine gemeinsame Linie zu finden und geeignet zu kommunizieren kann sinnvoll sein.
Soweit geboten in geeigneter Weise zu den aktuellen Geschehnissen in die Unternehmensöffentlichkeit hinein wertend Stellung beziehen. Dieses Thema durch Schweigen zu übergehen ist ein Fehler — Führungskräfte und Mitarbeiter diskutieren das Thema ohnehin, die Unternehmenskultur wird v.a. in größeren Unternehmen davon durchaus beeinflusst.
Als Führungskraft auf die Signale der Mitarbeiter zu den aktuellen Berichterstattungen achten und wertend Stellung beziehen. Nicht zulassen, dass v.a. Medienberichte die Meinungsbildung beeinflussen und die Verbindung zwischen Mitarbeitern und Management beeinträchtigen.
Die Programme der Führungskräfteentwicklung sollten überprüft werden daraufhin, inwieweit sie die Auseinandersetzung zu ethischen Grundfragen des Managementhandelns fördern und Orientierung zu vermitteln vermögen angesichts einer immer komplexeren Welt mit ihren vielfältigen Irrungen und Verführungen. Dies unterstreicht einmal mehr, die in den letzten Jahren zusehends wichtiger werdende Seite der Persönlichkeitsentwicklung in der Führungsbildung.
Ich glaube, dass ein Unternehmen nur dann gut funktioniert und Aussicht auf eine erfolgreiche Zukunft hat, wenn die Mitarbeiter an der Basis an ihre Unternehmensleitung und das Management glauben - erfüllt von Vertrauen und Zuversicht und ohne das Gefühl, "denen da oben" ausgeliefert zu sein.
Vertrauen gründet auf Taten - nicht auf Worten. Ich habe den Eindruck, dass es da in einigen - längst nicht allen! - Unternehmen durchaus ein Problem gibt, das Anlass zur Sorge bietet.
Damit jedoch kein falscher Eindruck entsteht: Die Mehrzahl der Unternehmen gibt diesbezüglich eine gute Figur ab, einige stehen sogar hervorragend da. Dennoch gilt es, stets achtsam, sensibel und selbstkritisch zu bleiben.