09.10.2008 - Coaching - Professionalisierung durch Stände?
Coaching zwischen Irrung und Verzweiflung. Können denn berufsständische kammerähnliche Gebilde Qualität des Coaching sichern? Oder geht´s da vor allem um Marketing?
Es gibt immer mehr Coaching - Verbände. Immer mehr Diskussion um die Professionalität der Coaches und wie diese sichergestellt werden kann*). Und die Forderung, die verschiedenen Coachingverbände möchten sich doch bitte endlich auf einheitliche Standards für die Profession einigen und ein berufsständisches Gebilde schaffen.
Da klagt man, dass Unternehmen nur durch Bildung eigener Coachingpools Scharlatane ausgrenzen könnten (warum eigentlich nicht so? ... statt eines fragwürdigen Berufsverbands für Coaches). Ja man wirft die Frage auf (so in Wirtschaft & Weiterbildung 10/2008), ob Coaches noch "Barbiere" oder schon "Ärzte" seien.
So ein Quatsch. Man muss sich fragen, wen solche Themen eigentlich beschäftigen. Sicher kaum die Coaches, die in den Coachingpools der großen Unternehmen verankert sind oder die seit Jahren mit Geschäftsführern und Bereichsleitern im Mittelstand in Coachingprozessen arbeiten. Wohl auch kaum Unternehmen, die über gut besetzte und differenzierte Coachingpools verfügen.
Das Bemühen, die Professionalisierung von Coaching durch quasi berufsständische Zugangssregelungen abzusichern, geht doch weithin von interessierten Kreisen aus, u.a. von Ausbildungsinstituten für Coaches, die sich dadurch eine Festigung ihrer Marktposition versprechen**).
Und von jenen (Möchtegern-?) Coaches, die mutmaßen, nur deshalb so wenig Coachingaufträge zu haben, weil nach ihrer Interpretation so viele Scharlatane ihr Unwesen treiben, Scharlatanerie im Coaching, begangen durch Wettbewerber, ihnen den Markt kaputt mache. Die eigene Verzweiflung führt so zum Schrei nach Regulierung, nach Diplomen etc.
Ist es möglicherweise nicht vielmehr so, dass viele Coaches trotz ihres Coaching-Diploms einfach nicht gut genug sind? Sie nicht über die relevante Expertise und Erfahrung im Management verfügen, sie daher als Coach und Sparringpartner für´s Management gar nicht erst infrage kommen? Weil ihnen damit eine Erfahrung fehlt, die keine Coachingausbildung - von denen viele auch noch schlecht sind - liefert.
Dass viele derer, die einen - sogar staatlich (… ein Treppenwitz) - regulierten Zugang zur Tätigkeit als Coach fordern, einfach mangels Kompetenz den Zugang zum Markt nicht schaffen, sie selbst also Teil des vorgeblichen Scharlatanerieproblems sind?
Ein etwas bissiger Beitrag, gewiß. Aber ich vertraue auf die regulierende Kraft des Marktes. Und ich hege ein tiefes Mißtrauen gegen alles, was Verbände, Funktionäre oder gar Stände kennzeichnet.
Sie sind implizit eher mit Reglementierung und Absicherung von Pfründen befasst als dass sie sich Offenheit, Dynamik und Entwicklung auf ihre Fahnen schreiben würden - und Coaching sollte genau diesem Gedankengut in jeder Hinsicht Rechnung tragen.
*) Um einem Mißverständnis zu diesem Beitrag vorzubeugen: Ein Coach sollte eine fundierte methodische Expertise aufweisen sowie eine professionell angeleitete Eigenreflektion durchlaufen haben - am besten über eine fundierte Ausbildung zum Coach, Supervisor, Psychotherapeut o.ä.
**) Die Diskussion um das angebliche Scharlatanerieproblem im Coaching wurde wesentlich genährt, wenn nicht ausgelöst, durch die sog. Coachingstudie von Prof. Kühl - die Studie erfolgte im Auftrag des Verbandes für Supervision, mit dem dieser den Zugang von Supervisoren zum Coachingmarkt prüfen und fördern wollte.