04.03.2009 - Change Management – was tun in der Krise?
Krise - nur noch Cost Cutting?
So habe es ähnliche Maßnahmen wie die adhoc im Unternehmen ergriffenen schon bei früheren Einbrüchen im Markt gegeben, auch wenn diese nicht so hart ausgefallen seien.
Auch damals sei man gelähmt gewesen, habe versucht, Kostenmaßnahmen schnell durchzudrücken. Am schlimmsten sei die extreme Fokussierung auf die schlechter werdenden Zahlen gewesen und das harte Drehen an der Kostenschraube. Cost Cutting als einzige Initiative.
Das habe Frustration und Zermürbung bis hin zu Aggressionen zur Folge gehabt im Unternehmen, auch im Management. Raum für Positives oder kreative Lösungsansätze habe es nicht mehr gegeben... Insgesamt sei man am Ende mit vielem nicht ganz zufrieden gewesen, aber der Aufschwung habe dies dann wieder überdeckt.
Nachgefragt, womit man denn damals unzufrieden gewesen sei, kam als Antwort, man habe auch an den falschen Stellen weil undifferenziert eingespart, was anschließend erhebliche Wiederaufbaukosten nach sich zog.
Manche Einsparpotentiale habe man aber damals gar nicht identifiziert, weil man zu unsystematisch vorgegangen sei. Gezielt nach Chancen in der Krise habe man nicht gesucht, u.a. auch günstige Übernahmen nicht ins Auge gefasst, die dann später wesentlich teurer realisiert wurden. Im Grunde verhalte man sich momentan exakt wie damals...
Krise - Klammern an Vertrautes statt kreativer Ansätze
Ob nun als Change Management oder eher als Führung in der Krise zu benennen - interessant ist es allemal, das Geschilderte in Bezug zu setzen zu Erkenntnissen aus der Forschung. Professor Barry Staw (Berkeley Business School) hat herausgefunden1), dass Organisationen und Menschen sich bei Problemen zumindest anfangs noch fester an das klammern, was ihnen aus der Vergangenheit vertraut ist.
Generell neigten sie angesichts von Bedrohungen und Schwierigkeiten zu dem von ihm sogenannten "threat-rigidity-effect". Sie gehen angesichts der bedrohlichen Situation dazu über, sich eher unbewusst und ohne weitere Überlegung auf vertrautes Handeln zu stützen, das sich bisher als passend oder erfolgreich zeigte, und wehren neue Dinge ab. Selbst wenn sie doch neue Ansätze in Erwägung ziehen, verhindern Angst und Sorge, dass sie dazulernen. Sie setzen am Ende doch auf bereits praktizierte Muster.
Als Beispiel für dieses Verhalten nennen Pfeffer/Sutton2) den Untergang von Atari in den 80-ern. Angesichts sinkender Nachfrage und zunehmendem Wettbewerb konzentrierte man sich auf die Entwicklung überkommener Konsolen und Software für Spiele und gab neue innovative Entwicklungen auf dem PC Sektor auf, die wohl zu einem ähnlichen Produkt wie der erst deutlich später erfolgreich in den Markt gelangende Apple PC geführt hätten.
Im Management nahm man bereits zum Zeitpunkt der Preisgabe des Projekts an, daß einem dies vermutlich noch einmal leid tun werde. Tatsächlich hatte man sich angesichts einer Krise vor allem auf das besonnen, was einem aus der Vergangenheit als Erfolgskonzept vertraut war.
Krise - Chance zur Neuorientierung
Sicher stellt eine umfassende Wirtschaftskrise wie momentan eine ganz andere Herausforderung für das Management dar. Doch die grundlegenden Fallen gelten gleichwohl als Gefahr. Wie kann man also nicht nur mit bekannten Mustern resultierend aus oft unbewusstem Verhalten sondern stattdessen bewusst agieren, kreativ und innovativ, auch Chancen nutzend – das ist wohl die aktuelle Herausforderung, um Unternehmen durch schwere See zu steuern.
Dabei ist ein Zunahme an Change Management Projekten als Folge der Krise wohl zu erwarten. Allerdings ist auch zu befürchten, dass diese weniger gründlich durchgeführt werden, daß der Umsetzungsdruck andere Überlegungen insbesondere zur professionellen Durchführung der Changevorhaben beiseite schiebt.Zur eingangs erwähnten Frage, ob es Change Management sei, was man derzeit im Unternehmen mache, ist es wohl doch so, dass man von Change Management nur sprechen sollte, wenn es sich um eine grundlegende Neuausrichtung komplexerer Organisationen handelt (s. "Change Management, ein inflationärer Begriff"). Dem gehen in der Regel die Erarbeitung neuer Strategien oder Organisationskonzepte voraus, die es dann in einem Changeprozess umzusetzen gilt.
So steht z.B. Opel derzeit als Unternehmen zunächst vor einer grundsätzlichen Neuorientierung, die sowohl die Unternehmensverfassung, die Strategie und die Effizienz der Leistungsprozesse betrifft. Daran gilt es zu arbeiten, so die Existenzsicherung finanziell gelingt. Die Umsetzung wird dann in einen weitreichenden Changeprozess münden.
Kostensenkung in einem Unternehmen allein über Budgetkürzungen nach der Rasenmähermethode impliziert noch kein Change Management - wohl aber dann, wenn dies zu Standortschließungen, Produktionsverlagerungen, Zentralisierungskonzepten etc. führt. Die Erarbeitung und Umsetzung der Konzepte erfodert ganzheitlich angelegtes Change Management, soll sie optimal gelingen.
Und natürlich sollte man angesichts harter Einsparungen stets auch daran denken, das Management einzuschwören und gemeinsam auf die zu erwartenden Reaktionen in der Organisation einzustimmen.
Woraus sich schnell und sinnvoll ein gesteuerter Anpassungsprozess entwickeln kann, mit dem man sicherstellt, dass die Organisation die notwendigen Veränderungen erfolgreich vollzieht und die Leistungsfähigkeit aufrecht erhält. Also doch am Ende so etwas wie ein Changeprozess?
1) Barry M. Staw, Lloyd E. Sandelands, Jane E. Dutton, Threat-Rigidity Effects in Organizaitional Behaviour: A Multilevel Analysis, Administrative Science Quarterly 26, 1981, p. 501-524
2) Jeffrey Pfeffer, Robert I. Sutton, The Knowing-Doing Gap - How Smart Companies Turn Knowledge into Action, Harvard Business School Press 2000, deutscher Titel: Wie aus Wissen Taten werden. So schließen die besten Unternehmen die Umsetzungslücke, Campus 2001